In so einem Aluwerk , da wird's einem nie richtig langweilig. Ständig ist irgendwo was los, wenn's nicht grad ein Toter am Strand ist oder ein Brand in der Koksproduktion (nein, sorry, muss euch enttäuschen, unser Koks ist kein weisses Pulver!), zu dem die Feuerwehr gleich mit 6 Fahrzeugen anrückt, dann ist's halt eine Gerichtsverhandlung, bei der der Chef des Werkes wegen fahrlässiger Tötung angeklagt ist.
Ja, wirklich, vor gut drei Jahren starb ein Angstellter bei der Inspektion eines Koksförderbandes (wieder kein weisses Pulver!) zuoberst in einem Turm, weil er aus unerklärlichen Gründen unter dem Förderband durchkroch, davon erfasst wurde und in der Folge erstickte. Unschön. Und vorschriftswidrig. Das wissen eigentlich alle, die schon mal in einer Fabrik gearbeitet haben, dass man nicht unter laufenden Bändern durchkriechen darf, aber eben.... Gewisse Gerüchte sind im Umgang, dass der Betreffende es gar absichtlich getan habe, aber ob da was dran ist weiss halt auch niemand.
Der Mann, der damals der direkte Vorgesetzte dieses Angestellten war, ist Amerikaner und heute oberster Chef hier. Nun steht er also vor Gericht und wenn er (oder gar die Firma) für mitschuldig am Tod dieses Angestellten befunden wird, dann kann das Schadenersatzforderungen bis zu 160.000 Franken bedeuten. Das nennt man wohl nicht gerade gute Publicity, aber die Öffentlichkeit braucht halt immer einen Schuldigen und es will halt keine Zeitung über all die Unfälle berichten, die NICHT passiert sind dank der strengen Sicherheitsrichtlinien....
Wir machen uns ja hier oft lustig über all diese Sicherheitsrichtlinien und finden manches ganz schön übertrieben, aber scheinbar ist das halt doch alles notwendig. Bevor man hier überhaupt auf dem Gelände rumlaufen darf, muss man eine 3-stündige Sicherheitsausbildung durchmachen, wo genau erklärt wird, welche Schutzkleidung man IMMER anzuziehen hat (Helm, Schutzbrille, stahlverstärkte Schuhe, feuerfeste Hose und Jacke) und wo man langgehen darf und wo nicht. Bevor man unbegleitet in irgendeinen Arbeitsbereich rein darf muss man nochmals eine spezielle Sicherheitsausbildung für den betreffenden Bereich besuchen, wo auf die spezifischen Gefahren und Regeln vor Ort eingegangen wird. Mittlerweile hab ich das ganze Programm besucht und darf also alleine rumlaufen, hab aber solchen Schiss, dass ich das lieber nicht mache.....
Da kriegt man allerhand äusserst anschauliche Geschichten zu hören über alle möglichen Unfälle , die schon passiert sind. Wer von euch wusste zum Beispiel, dass man nicht mit Kontaktlinsen in die Nähe der Schmelzhalle gehen sollte? Die netten kleinen Plastikdinger könnten sich dabei nämlich auf den Augen festschmelzen....... Oder dass der Staub/Russ vom (immer noch schwarzen) Koks die Haut so empfindlich macht, dass man schon nach 10 Minuten mit russgeschwärztem Gesicht an der Sonne einen superintensiven Sonnenbrand kriegt, der schon fast an Verbrennungen 2. Grades erinnert? Das lässt sich übrigens verhindern wenn man sich vorher Gesicht, Ohren, Hals und Hände mit Vaseline einschmiert.... dann wird man zwar äusserlich SEHR schwarz, aber die Haut ist trotzdem vor dem Staub geschützt unter der Vaselineschicht.
PS: Koks braucht's nach dem Umbau nicht mehr, dann hat's immerhin ein paar Gefahren weniger auf dem Gelände!
PPS: Der Chef ist doch tatsächlich schuldig gesprochen worden, wird das Urteil aber anfechten und vor eine höhere Instanz ziehen. Mal schauen, was dabei raus kommt.....